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Guruparampara - Zur Schüler*innen-Lehrer*innen-Beziehung im Ashtanga

Sandra Tauer ist fleißige Yogaschülerin bei uns im Yoginzky, Yogalehrerin und Mutter. Ihr Herzensyogastil ist das Ashtanga. Sandra wurde von Kiril Yordanov in die erste Serie eingeführt.


"...Vor kurzem berichtete mir ein Kollege aus dem Fitness-Bereich, den ich sehr schätze, dass er mit einem Video einer bekannten Yoga-Influencerin einen 15 Minuten Flow geübt habe und das habe ihm gut getan. Da ich den Namen dieser Frau nicht kannte - was mich wunderte - schaute ich in eines ihrer hochprofessionellen Videos hinein und war geschockt: Eine dünne, bauchfreie Gestalt ohne erkennbare Muskeln räkelt sich auf einer Matte, im Hintergrund sehen wir einen sommerlich, mediterran bepflanzten Balkon. Im genau richtigen Moment flattert ein Schmetterling an ihren Händen vorbei. So herrlich kann es doch sein einen Sunshine-Morning-Flow zu „praktizieren“. Doch auch die schönsten professionellen Aufnahmen können die mangelnde eigene Praxis der Kommunikationsdesignerin nicht verbergen. Ihre Bildergalerie besteht aus schlecht ausgeführten Anfänger-Asanas in atemberaubender Kulisse.


Dabei ist es so essentiell einen gute*n Lehrer*in generell und speziell im Ashtanga zu haben. Warum? Es geht nicht darum, dass mein*e Lehrer*in beweglicher ist als ich, alle Asanas perfekt ausführen kann, sondern darum, dass der/die Lehrer*in einen Schritt weiter ist auf dem Weg ins Eintauchen in den Atem, in die Bewegung und in den Geist. Diesen Weg zu beschreiten ist nur mit Konzentration, Disziplin und Hingabe möglich. Mal läuft es besser, mal läuft es schlechter (Lockdown!). Der innere Schweinehund lauert hinter jeder Ecke.


Ein kundige*r Lehrer*in weiß, welche Übungen für dich angemessen sind. Und da beginnt auch schon die Krux, warum viele erst gar keinen Zugang zu dieser Methode, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen, finden: viele „turnen“ einfach nach, was ihnen auf YouTube vorgeturnt wird und halten das damit zwangsläufig für Yoga. Oder sie ignorieren gut gemeinte Ratschläge Übungen zu modifizieren und zu vereinfachen. Warum auch, mein Nebenturner macht das ja auch nicht!

Doch anderes als in anderen Formaten zur körperlichen Ertüchtigung gibt es im Yoga nur das Lehrer*innen-Schüler*innen Verhältnis, das von tiefem und ehrlichem Respekt geprägt ist. Es gibt kein*e Trainer*innen, Instructors oder Coaches, mit denen man auf Augenhöhe spricht. Ein Lehrer*innen-Schüler*innen Verhältnis im Yoga und im speziellen im Ashtanga ist unvermeidlich ein intimes Verhältnis. Ashtanga möchte, dass du sechs Tage die Woche übst, meist morgens um 6 Uhr. Zu dieser Uhrzeit sind wir die Rohversion von uns selbst, für Schauspiel, Make up oder gute Laune ist es zu früh. Dein Lehrer kennt dich damit nicht nur auf der körperlichen Ebene gut, sondern weiß, wie du mit Überforderung, Ungeduld oder Selbsthass, wenn es nicht so läuft, wie du es dir vorstellt, umgehst. („Sandra, du hast genügend Körperspannung und auch Kraft, Du hast jetzt gerade noch Angst!“). Deshalb sollte man sich seine*n Lehrer*in auch gut auswählen. In der Regel ergibt sich das aber von selbst, wie durch eine „unsichtbare Hand“. Und so finden, wenn es gut läuft, nicht nur wie im Ashtanga, sondern auch in anderen Bereichen des Lebens Lehrer*in und Schüler*in (z. B. Doktorvater/mutter und Doktorand*in) von selbst zusammen.


Wird dir dann bewusst, wieviel du beim Üben von dir selbst offenbarst, dann folgt auch die Hingabe und Demut nach. Auch die Dankbarkeit, dass der Lehrerende sich unweigerlich mit deinen Befindlichkeiten auseinandergesetzt hat. Gute Yoga-Lehrerende sind daher immer ihren Lehrern dankbar. Sie benennen ihre Lehrer*innen. Und wenn wir Übende uns unseren Lehrer*innen verpflichtet fühlen, dann geben wir uns auch immer Mühe für ihn. Wir wollen aus Respekt und Dankbarkeit dem Lehrenden gefallen. Das eigene Ego wird in diesem Moment ein ganz klein wenig kleiner und der Bewegungsablauf immer ruhiger und perfekter. All das muss nicht bitterernst ablaufen. Dankbarkeit und Wertschätzung haben viele Gesichter und können auch die Form von wohlwollend gemeinten „dummen Sprüchen“ oder einem liebevollen sich über den anderen lustig machen annehmen.


Irgendwann merkst du, wie die Praxis in dein eigenes Leben ausstrahlt. Hat man dieses Lehrer*innen-Schüler*innen-Verhältnis einmal verinnerlicht und erfahren, wie bereichernd es ist und wie es Fortschritt gewährleistet, bleibt diese Einstellung. Sie ist eine irreversible Entwicklung..."


Inspiration:

Anna Schmidt-Oehm, Ohne Zähneputzen geht – ist aber nicht so schön…


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